Kultureller Schlaganfall...
- michaelkutschke
- 22 minutes ago
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Haben statt Sein – der satte deutsche Rentner und seine Apokalypse auf sechs Rädern. ODER einmal durch Marokko, ohne es je betreten zu haben - eine sarkastisch-satirische Feldstudie eines Bikers auf dem Campingplatz in Marrakesch.

Die ego-zentrierten Weltoffenen kommen in Geleitzügen. Langsam, fett wie Kreuzfahrtschiffe - nur nicht auf dem Wasser aber mit mehr Satellitenschüsseln: die rollenden Rentnerpaläste aus Deutschland.
Der ganz grosse Schwanzvergleich...
Wohnmobile? Ach, bitte. GRAND Empire!! 😂. Diese Kolosse sind fahrende Villen mit Panzer-Panoramaverglasung,
Meiner ist länger... Mit Riesen-Flat-Screen Wäschspinne, einem Smart in der Garage und Weinkeller – alles montiert auf 3-Achs-Sattelzugfahrgestellen, damit der deutsche Gartenzwergli-Traum von „Ich bin noch mehr, schaut her“ auch im marokkanischen Staub glänzen kann.
In Marrakesch, wo der Duft von Minze, Gewürzen und Kamelmist die Luft erfüllt, parken sie ihr Schlachtschiff Bismarck neben staubigen Eselkarren – ein kultureller Schlaganfall für das Land. Der sogenannte „Pöbel“, also Einheimische und Individualreisende ohne hydraulisch nivellierbare Dachterrasse, wird mit leichtem Ekel gemustert. Man selbst sitzt schliesslich erhoben – im Schatten der eigenen Markise – mit einem Glas Prosecco (gekühlt natürlich, und man hat ja eine stromfressende Klimahölle im Innern des Fahrzeugs). Man wartet nur noch darauf dass sie beginnen Kaviarhäppchen vor den perserteppichausgelegten Einstiegsbereich zu streuen. Nicht zum Essen – zum Ausrutschen. Für den gemeinen Campingpöbel wie mich...
Fängt man Wortfetzen ihrer Kommunikation untereinander auf, drehen sich die Geschichten von Herr und Frau Neureich nicht etwa um Kultur, Geschichte oder gar die Menschen vor Ort – Gott bewahre! Sondern um 'ach wie billig hier' und den Preis des Navigationssystems mit KI-gestützter Staubpartikelanalyse... oder ob man auf dem Rückweg über den Spanien "noch kurz Lissabon in Portugal mitnehmen" sollte – wegen der Bucketlist. Jedes Land ein Häkchen. UND jedes Selfie ein Beweis für die eigene gelebte Grossartigkeit.
Also wird Marrakesch nicht erkundet, sondern im Selfiemodus abfotografiert. Aber eigentlich will man ja nicht „zu sehr unter die Leute“. Einheimische dienen bestenfalls als pittoreske Statisten auf Fotos. Bettelnde Kinder auf Eseln? Klick. Alte Frau mit Henna-Händen? Klick. „Alles sooo authentisch hier!“

Die Routen der deutschen TÜV-Gesichter sind durchoptimiert: Nur nicht zu weitab von den Autobahnen. Nur keine Überraschungen. In den Fahr-Pausen wird jeder Touristenramsch mit deutscher Effizienz geplündert, als wäre er Teil einer ZDF-Doku über Kolonialnostalgie im Ruhestand. Wenn es doch mal Kontakt mit einem echten Marokkaner gibt, dann nur beim Feilschen – mit der Unnachgiebigkeit eines Tiger-Panzerkommandanten: 10 Dirham fürs Brot? Skandal! Aber 1.000.000 Euro für das Wohnmobil? Ein Schnäppchen.
Es ist ein voll klimatisiertes Leben in Klimazonen, nicht in Kulturen.
Statt am Lagerfeuer sitzt man vor dem TV und lauscht gebannt dem Geschwafel der 'Regierungs-Marionetta Slomka' im ZDF-Heute -Journal, anstatt mit den Camping-Nachbarn am Lagerfeuer den Sternenhimmel zu schauen. Diese "weltoffenen deutschen Kleingeister" bringen ihre Temperatur, ihre Küche, ihre Möbel, Werte und ihre Weltanschauung also gleich mit – Gartenzwerge eben - isoliert in Alu und Kunststoff, immun gegen Eindrücke, außer sie lassen sich mit Filtern versehen.
„Haben statt Sein“, das ist nicht bloß Motto – es ist des betuchten Teutonenrentners Religionsersatz. Sein Sabbat ist der Tag, wenn das Wohnmobil mit hunderten Litern Wasser in der Sahara von billigen "Fachkräften" auf Hochglanz gebracht wird, damit es beim 'Livestream-blabla mit Champagner' vor den Dünen von Merzouga so richtig in Szene gesetzt werden kann.
Nobel geht die Welt zugrunde... Halleluja, was geht es uns doch gut!
Und wenn sich die Bettler über den letzten Couscous hermachen - halb angefressen und stehen gelassen - und den Followern auf Fratzenbuch auch das zu langweilig wird, geht's heuschreckenartig weiter – Richtung Agadir, oder Fes, oder sonstwo williwichtig hin. Völlig egal. Hauptsache: snobistisch, abgehoben ... Vor uns die Sintflut - dann aber wenigstens im GRAND EMPIRE!

Postskriptum:
Der Kaviar im GROSS(en)-DEUTSCHEN WOHNMOBIL ist alle. Der Pöbel kann also wieder aufstehen.


